Stadtgeschichte(n) Folge 6: Olympiabücher – Sammelobjekte mit Klingenthaler Spuren
Von 1936 bis in die Gegenwart gibt es im Archiv des Musik- und Wintersportmuseum Bildbände, die auch die Geschichte Klingenthaler Sportler dokumentieren. 1928 nahm Walter Glaß I als erster Klingenthaler an Olympischen Winterspielen teil, damals im schweizerischen St. Moritz. 1936 war es Kurt Körner, der in Garmisch-Partenkirchen beim Sprunglauf startete. Beide Sportler blieben ohne Medaille, doch waren sie Zeitzeugen einer neuen Entwicklung im Sport:
Es war gerade jene Zeit, als die Olympischen Spiele, ob Sommer oder Winter zu Großereignissen wurden. Nicht zuletzt hatte der technische Fortschritt bei Rundfunkübertragungen dazu geführt, dass weltweit interessierte Sportfans Wettkämpfe nahezu live mitverfolgen konnten. Spätestens seit den Austragungen im Dritten Reich 1936 zelebrieren Gastgeberländer Olympische Spiele auch um sich der Welt als Nation vorzustellen. Medaillengewinner werden als Helden gefeiert, ein Podestplatz gilt unter Sportlern als ein hohes Ziel. Die ersten Winterspiele fanden 1924 statt. im Falle von Klingenthal finden sich seit 1928 Spuren in jedem Buch der Winterspiele. Der erste olympische Medaillengewinn gelang bekanntlich 1956 Harry Glaß mit Bronze im Spezialspringen auf der Schanze im italienischen Cortina d`Ampezzo.
Olympiabücher finden sich wohl in vielen Regalen, selten, dass sie tatsächlich gelesen werden, eher sind es Sammelobjekte. Doch ein näherer Blick lohnt: Nicht nur, um bei der Ansicht früherer sportliche Erfolge und die damit verbundenen Emotionen wiederaufleben zu lassen, sondern auch um ein bisschen „zwischen den Zeilen“ zu lesen. Abhängig vom Zeitalter, gesellschaftlichen und politischen Strömungen und den jeweiligen Herausgebern sind diese Bücher auch Spiegel der Zeitgeschichte: Unter sprachwissenschaftlichen Punkten beinhalten die Bücher auch politische Aussagekraft: 1936 steht zu den Teilnehmern der Eröffnungsfeier in Garmisch-Partenkirchen dass „nur wenige das Land kannten, das ihnen olympisches Gastrecht gewährte; was sie wussten war oftmals häßlich verdreht zu ihren Ohren gekommen.“ Ganz im Gegenteil sei das Deutsche Reich ein „freigebiger Gastgeber einer friedlichen olympischen Gemeinschaft“. Drei Jahre später begann mitdem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg und die Ursprungsidee des Olympia-„Erfinders“ der Neuzeit, Pierre de Coubertin nach Völkerverständigung und Frieden erfüllte sich nicht. Kurt Körner, der Klingenthaler Olympiateilnehmer von 1936 kehrte aus dem Krieg nie zurück und gilt bis heute als vermisst. Nachfahren hatten erst kürzlich im Archiv des Museums nach Erwähnungen des Sportlers gesucht.
Dass die Aktiven aus der Wintersporthochburg Klingenthal bei den Olympischen Sommerspielen keine Spuren hinterließen, scheint eine logische Schlussfolgerung. Doch das Archiv des Museums bewahrt auch zahlreiche Dokumente aus der Klingenthals Turnsportära, welche bereits in den 1860er Jahren begann. Zwischen 1912 und 1928 nahmen überhaupt keine deutschen Turner an Olympischen Spielen teil. Wegen Querelen um Bewertungskriterien boykottierte der Deutsche Turnerbund die Teilnahmen. Beinahe wäre es bei den Olympischen Sommerspielen 1964 doch zur Teilnahme eines Klingenthalers gekommen: Der aus Klingenthal stammende und für den ASK Vorwärts Potsdam startende Werner Dölling war als Mitglied der Nationalmannschaft nominiert. Ein Freizeitunfall verhinderte die Teilnahme. Mehrfach wurde Dölling DDR-Meister, gewann 1966 Bronze im Mannschaftswettbewerb der Weltmeisterschaften in Dortmund und blieb auch nach seiner aktiven Laufbahn als Trainer dem Turnsport treu.
Nicht immer war und ist eine namentliche Nennung von Olympiateilnehmern allein vom Leistungsvermögen abhängig. Politisches Weltgeschehen, staatliche Einflussnahmen, schicksalhafte Zufälle oder gar Epidemien entscheiden mit, ob und wann Sportler ihre Höchstleistungen vollbringen um dann in einem dieser Bücher in die Geschichte der Olympischen Geschichte eingehen. (XB)
Ab 19. Mai hat das Musik- und Wintersportmuseum Klingenthal wieder geöffnet. Mo-Fr. 10-16 Uhr und Samstags von 13-16 Uhr.
Ausschnitt aus dem Jahr 1956: „Meister des Sports“ Harry Glaß erhielt anlässlich seines Erfolges ein Portrait im Olympiabuch von Cortina d`Ampezzo.
Werner Dölling, 1962 im Training für die Weltmeisterschaften in Prag